Samstag, 24. April 2010

Johannes Paul II

Sicher ist aber: Johannes Paul II. handelte nicht bloß in krassem Gegensatz zu christlichen Tugenden, sondern menschenverachtend.

Drei Fälle belegen dies deutlich: Am 30. November 2004 empfing Papst Johannes Paul II. Pater Marcial Maciel Degollado, einen mexikanischen Priester, der 1941 mit den „Legionären Christi“ einen der mächtigsten und reichsten katholischen Orden gegründet hatte, zu einer speziellen Audienz und segnete ihn. Zu diesem Zeitpunkt lagen der Glaubenskongregation bereits Akten mit schweren Anschuldigungen gegen Pater Maciel vor (siehe profil 11/ 2010). Schon 1997 hatten acht Missbrauchsopfer – allesamt ehemalige Legionäre Christi – einen Brief an Johannes Paul II. geschrieben, den dieser ignorierte. Maciel war und blieb ein enger Freund des Papstes, und Joseph Ratzinger soll einem mexikanischen Bischof gegenüber gesagt haben: „Bedauerlicherweise kann der Fall Marcial Maciel nicht eröffnet werden, denn er ist sehr eng mit Papst Johannes Paul II.“ Erst nach dem Tod von Johannes Paul II. wurde der Serientäter Maciel vom Vatikan zum Rückzug aus der Öffentlichkeit überredet.

Ähnlich war es im Fall des Bischofs Lawrence C. Murphy, der an einer Schule für gehörlose Kinder im US-Bundesstaat Wisconsin an die 200 Buben missbrauchte. Trotz Klagen blieb die vatikanische Justiz untätig. Deren Chef Ratzinger soll auf Weisung von oben von einer Verfolgung abgesehen haben. Über Ratzinger stand nur Johannes Paul II.

Der dritte Fall illustriert die Logik hinter der Komplizenschaft. René Bissey, ein französischer Priester, missbrauchte Kinder. Sein Bischof, Pierre Pican, wusste davon. 1998 wurde Bissey von der französischen Justiz wegen des Missbrauchs zu 18 Jahren Haft verurteilt und Pican wegen Strafver­eitelung zu drei Monaten bedingt, da er die Polizei nicht informiert hatte. Kardinal Dario Castrillon Hoyos, im Vatikan für das Kirchenpersonal der Ortskirchen zuständig, beglückwünschte daraufhin im Jahr 2001 Pican in einem Brief dazu, seinen Bruder im Glauben nicht an die weltliche Justiz verraten zu haben. Vor wenigen Wochen erklärte Castrillon Hoyos dazu: „Der Heilige Vater (gemeint ist der damalige Papst Johannes Paul II., Anm.) gestattete mir, diesen Brief an alle Bischöfe weltweit zu versenden und ihn auch im Internet zu veröffentlichen.“

Hindernis. Es sind nicht bloß ein paar Indizien, die belegen, dass Johannes Paul II. aktiv an der Vertuschung von Missbrauchs­fällen und der Straflosigkeit der Täter schuld war. Die Regeln, die während seiner Amtszeit Geltung hatten, sprechen Bände. Im formal sehr komplizierten Seligsprechungsverfahren ist festgelegt, dass nichts verschwiegen werden darf, was dem Vorgang zuwiderlaufen könnte. Sollten Hindernisse für eine Seligsprechung auftauchen, die sich durch eingehende Recherchen nicht aus der Welt schaffen lassen, so ist das Verfahren einzustellen.

Wenngleich viele Personen an dem Prozess beteiligt sind, so obliegt es letztlich nur einem Mann, die Entscheidung zu treffen: dem Papst, der die Seligsprechung auch in einem Gottesdienst vornimmt. Am 19. Dezember des vergangenen Jahres wurde der „heroische Tugendgrad“ von Johannes Paul II. festgestellt, was als Vorstufe zur Beati­fikation gilt. Sollte Johannes Paul II. seliggesprochen werden, darf er öffentlich verehrt werden. Nicht zuletzt einige straflos gebliebene Kinderschänder werden dies bestimmt tun.

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