Der jungen Ehefrau reichte es: Wenn ihr Mann nicht zu einem Psychotherapeuten gehe, so ihre verzweifelte Drohung, würde sie ihn verlassen. Der Eskalation im Eheleben war eine schleichende Verwandlung des Mannes vorangegangen. Er hatte sich in einen regelrechten Superman verwandelt, der alles schafft – dachte er. Seine Frau und seine Freunde sahen ihn anders. Sie litten unter seiner zunehmenden Arroganz, seiner Unfähigkeit, Kritik zu ertragen. Und sie waren besorgt über den immer gespenstischeren Realitätsverlust des 35-jährigen EDV-Unternehmers: Selbst als er zum wiederholten Mal mit einer selbst gegründeten Firma in die Pleite geschlittert war, blieb sein überdrehter Enthusiasmus ungetrübt.
„Er war so fest davon überzeugt, dass es keiner mit ihm aufnehmen konnte, dass ich im Gespräch kaum zu ihm durchdringen konnte“, erinnert sich der Psychotherapeut Günter Scheich aus Oelden in Nordrhein-Westfalen an den stockenden Start in die Therapie. Drei Monate plagte er sich mit dem schwierigen Patienten, erst dann dämmerte es dem Pleitier, dass er ein ernstes Problem hatte. Die Diagnose des Therapeuten: selbst antrainierte Überheblichkeit, akute Wirklichkeitsverweigerung, krankhaft übersteigerter Erfolgshunger.
Selbst ernannte Gurus. Als Ursache für den bedenklichen Geisteszustand konnte Scheich ein Seminar ausmachen, das sein Patient zwei Jahre zuvor besucht hatte. Dort hatte ihm ein Motivationstrainer von offener Bühne herab das vermeintliche Geheimnis zur Erlangung des allumfassenden Glücks verraten: Er müsse sich bloß von trübsinnigen Grübeleien befreien und sich stattdessen stets auf sein Ziel konzentrieren. Rückschläge, so war ihm eingebläut worden, könne nur erleiden, wer seine Gedanken nicht eisern im Zaum hält. Kurz gesagt: Er müsse fortan ausschließlich positiv denken.
Fachleute schütteln angesichts solch simpler Psycho-Patentrezepte ratlos den Kopf. „Wenn ich Erfolg haben will, sollte ich doch realistisch denken und nicht gekünstelt positiv“, meint etwa Brigitte Lueger-Schuster vom Institut für klinische, biologische und differenzielle Psychologie der Universität Wien. „Schließlich brauche ich eine richtige Einschätzung der Situation, um adäquate Entscheidungen zu treffen.“ Kühle Logik hilft jedoch nicht viel gegen die verlockenden Versprechungen eines wachsenden Heeres von Motivationsgurus und Beratern, halbseriösen Therapeuten, hochstaplerischen Coaches und geschäftstüchtigen Bestsellerautoren. Vollmundig stellen sie in Aussicht, dass mit ihrer Hilfe alle persönlichen und beruflichen Ziele erreichbar wären. Das Ego könne stufenlos optimiert, die Persönlichkeit perfektioniert, der Verstand flexibel genug für die Anforderungen eines wechselvollen Arbeitslebens gemacht werden – all das angeblich ohne großen Aufwand: Zu langsam auf der Karriereleiter unterwegs? Kein Problem, im zweitägigen Seminar wird „Selbstmotivation im Verkauf“ gelehrt, inklusive Tipps zur „Steuerung der eigenen Einstellung“.
Der anbrechende Herbst macht trübselig? Gut, dass beim Buchhändler der Band „Optimismus-Training“ parat steht – mit herausnehmbarem Folder, damit der mieselsüchtige Leser die wichtigsten Aufmunterungstechniken jederzeit trainieren kann. Schon wieder eine Beziehung in die Brüche gegangen? Keine Sorge, eine mehrjährige Psychoanalyse braucht es nicht mehr, um die Gründe dafür aus dem Unterbewusstsein zu graben. Die derzeit besonders schicke „Familienaufstellung“, bei der unbeteiligte Personen das Beziehungsgeflecht des Klienten nachstellen, bringt manchmal schon nach fünf Minuten die erlösende Antwort.
Dass es für fast keine der angebotenen Techniken einen wissenschaftlichen Nachweis einer positiven Wirkung gibt, dass manche sogar gesundheitsgefährdend sind, schreckt offenbar nicht ab – vielleicht ist es gerade das Geheimnisvolle, das unerklärlich Mysteriöse, das die Hoffnung auf eine wundersame Wesensänderung nährt. Und so treffen die Angebote der selbst ernannten Lebens-Wandler auf eine große und dankbare Zielgruppe. „Fast jeder Mensch ist nicht ganz zufrieden mit sich, fühlt eine Diskrepanz zwischen seinem aktuellen Ist-Zustand und einem angestrebten Soll-Zustand“, analysiert der renommierte Neuropsychologe Giselher Guttmann, Vizerektor der Sigmund Freud Universität in Wien. „Der Wunsch nach Veränderung ist da legitim und verständlich.“
Psychologen, Psychotherapeuten und Hirnforscher haben mit ihren Bedenken einen schweren Stand. Dabei können sie durch eine Reihe neuerer Erkenntnisse besser als bisher belegen, dass ein Mensch seine grundlegenden Eigenschaften und Stimmungen eben nicht so einfach ändern kann – auch wenn er selbst es noch so gern tun würde: Genetiker in North Carolina konnten an Fruchtfliegen – einem der beliebtesten Tiermodelle in der Biologie – nachweisen, dass Eigenschaften wie Aggression oder Umtriebigkeit fix in den ererbten Genen der Insekten einprogrammiert sind. Und sie entdeckten, dass bei einem Teil der Insekten nicht einmal eine drastische Veränderung der Umwelteinflüsse zu einer Veränderung des Verhaltens führte. Sie vermuten, dass es auch unter Menschen derart wandlungsresistente Exemplare gibt.
Bei Untersuchungen der Hirnaktivität von Menschen konnten Wissenschafter nachweisen, dass es bis zu 6000 Übungsstunden braucht, um tiefsitzende Empfindungen langfristig zu verändern – ein weiterer Hinweis darauf, wie schwer es ist, ungeliebte Eigenschaften abzulegen. Und schließlich können Neurologen nachvollziehen, wie tief grundlegende Charaktereigenschaften eines Menschen im Gehirn verankert sind. Die Grundlagen für das Temperament etwa werden bereits in der siebenten Schwangerschaftswoche angelegt. Später ist daran nichts mehr zu verändern. Und ob jemand weltoffen, zupackend und risikofreudig ist oder misstrauisch, zögerlich und risikovermeidend, entscheide sich bereits in der frühen Kindheit, sagt der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth. „Diese Dinge kann man, wenn überhaupt, nur in einer längeren psychologischen Beratung oder einer Psychotherapie ändern“. Doch die Hoffnung auf den radikalen Wandel im Leben, auf ein Geheimrezept für mehr Glück und Zufriedenheit ist offenbar groß genug, um solche Befunde zu verdrängen. Die Aussicht auf ein besseres Leben treibt täglich tausende in den oft absoluten Unsinn.
Schlichte Botschaft. Der erste Schritt zum auffrisierten „Ich“ führt viele ins Internet. Hier können Interessenten ungeniert Bücher bestellen, die ein aufgeklärter Mensch wohl kaum ohne Schamesröte im Buchladen kaufen würde. Zum Beispiel das in den USA erstmals 1968 erschienene Werk „Denke nach und werde reich“. Das schmale Bändchen verbindet Allerweltsweisheiten und Aphorismen, die so eingängig wie falsch sind: „Armut und Reichtum sind beide Schöpfungen des Glaubens“, ist da etwa zu erfahren. Oder: „Verlangen Sie vom Leben viel – und das Leben wird Ihnen entsprechend viel geben.“ Der Autor Napoleon Hill jedenfalls hat viel bekommen: Sein Werk verkaufte sich bis heute weltweit 20 Millionen Mal.
Noch rätselhafter der Erfolg von Rhonda Byrnes Bestseller „The Secret“. Jeder könne alles haben, sein oder tun, wenn er nur fest genug daran glaube, so die schlichte Botschaft des 256 Seiten dicken Wälzers.
Beeindruckt vom Erfolg des Buchs, versuchen nun weitere Verlage, das „Secret“ für sich zu nutzen: Der Deutsche Medizinjournalist Ulrich Görres schob dem Bestseller sein „Secret EFT“ hinterher. Das soll all jenen helfen, die mit Byrnes Versprechungen kein Glück hatten. Görres empfiehlt eine Art Klopf-Akupunktur zur Auflösung von „hemmenden Glaubenssätzen“, die verhindern, dass sich Byrnes kosmisches Füllhorn über ihren Fans ergießt. Doch auch unter aufgeklärten Menschen ist die Arbeit am Ego längst zur Bürgerpflicht geworden. Sich dafür gewerbliche Hilfe zu holen, gilt nicht mehr als Schwäche. Teure Investitionen in die eigene Persönlichkeit sind längst zum Statussymbol geworden. Wer früher davor zurückschreckte, Freunden eine Psychotherapie einzugestehen, verlautbart jetzt stolz, seine Probleme mit einem so genannten Coach zu diskutieren. Die Umetikettierung macht es auch Konzernen leichter, Psychoberater ins Haus zu holen, etwa um die Zusammenarbeit in einzelnen Abteilungen zu optimieren. Bis zu 2500 Euro pro Gesprächseinheit zahlen Wirtschaftsbosse, die ihre einsamen Entscheidungen mit neutralen Gesprächspartnern in Ruhe abwägen wollen. Insgesamt, so mutmaßte kürzlich die Wochenzeitung „Die Zeit“, habe in Deutschland jede zweite Führungsperson ihren ständigen Coach.
So ist innerhalb weniger Jahre ein aufnahmefähiger Arbeitsmarkt für Berater und Helfer entstanden: Allein in Deutschland sind rund 35.000 Wirtschaftscoaches aktiv, doch nur 3500 davon traut das „Manager Magazin“ eine halbwegs kompetente Beratungsleistung zu. Die coachende Mehrheit sei dagegen nicht besonders gut ausgebildet – oder übermäßig kreativ. Ein Berliner Berater etwa meint, schon aus dem Namen von Unternehmen auf deren künftiges Abschneiden bei Übernahmekämpfen schließen zu können. Noch unübersichtlicher wird das Angebot, sobald es um persönliche Beratungen geht: So bieten in Österreich 2000 freiberufliche Lebens- und Sozialberater ihre Dienste an. Sie müssen immerhin einen zweieinhalbjährigen zertifizierten Lehrgang in einem von mittlerweile bereits 59 Trainingsinstituten durchmachen. „Dafür dürfen die Absolventen Einzelpersonen coachen“, sagt Leo Klimt, Bundesvorsitzender der Lebens- und Sozialberater in der Wirtschaftskammer. „Persönlichkeitscoaching ist sonst laut Gesetz nur Psychologen und Psychotherapeuten erlaubt.“
Psycho-Tricks. Doch im entlegenen Seminarhotel, zum Beispiel auf dem Weg zum ebenmäßigen Astralkörper, zählen die Paragrafen offenbar nicht viel: Immer wieder bekommt Klimt Klagen über unqualifizierte Trainer auf den Tisch, die ihre Klienten mit Psychotricks traktieren. Etwa bei einem Kreativitätsseminar für Medienmitarbeiter. Die Trainerin brachte einzelne Teilnehmer dazu, ihre Probleme im Privatleben und am Arbeitsplatz vor der Gruppe auszubreiten. Einer jungen Frau fiel die charismatische Seminarleiterin unvermittelt ins Wort. „Wenn du so weitermachst, wirst du an Krebs erkranken“, so die völlig aus der Luft gegriffene Prophezeiung, die bei der Seminarteilnehmerin für tiefe Erschütterung sorgte.
Von solchen Scharlatanen ist es nur noch ein kleiner Schritt zu den mitunter skurrilen Methoden der esoterisch verfassten Heiler und Helfer. Immerhin 15.000 Menschen arbeiten in Österreich offiziell als Energethiker, der eingefügte Buchstabe „h“ soll auf die hohen ethischen Standards der Branche verweisen. Doch festgeschriebene Regeln gibt es in der Zunft keine. Ohne jeglichen Qualifikationsnachweis dürfen die Freistilheiler jeden selbst erfundenen Hokuspokus einsetzen, um ihre Klienten in eine „körperliche oder energetische Ausgewogenheit“ zu versetzen. Da werden warme Steine auf den Rücken gelegt, Aurasprays versprüht und Hände – je nach Vorliebe des Energethikers – mal knapp über den Kopf, mal mit sanftem Druck auf den Bauch gehalten.
Cornelius Selimov macht sich die Energethiker-Aufgabe nicht leicht. Der ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiter des Boltzmann-Instituts für Stoffwechselerkrankungen hat sich eine komplexe Theorie über den „Energiekörper“ des Menschen zurechtgelegt. Demnach, so erklärt er, hat jeder seiner Klienten unbewusste „Programme“ oder Prägungen abgespeichert. Um blockierende „Software“ zu ändern, arbeitet Selimov mit „tief feinstofflichen Ebenen“: Zunächst wird die Wohnung der Klienten nach 4500 Jahre alten fernöstlichen Feng-Shui-Regeln zurechtgerückt, um „dissonante Schwingungen“ zu harmonisieren. Mit aufwändigen Berechnungen könne man sogar auf die individuellen Bedürfnisse seiner Klienten Rücksicht nehmen, so Selimov. „Es gibt Konstellationen, die unterstützend beispielsweise für Leute mit einer Lebererkrankung, aber ungünstig für Menschen mit Beziehungsproblemen sind.“
Wenn das noch nicht reicht, hilft der Blick in den Himmel, um „kosmischen Rückenwind zu gewinnen“. Mittels chinesischem Horoskop ermittelt er, unter welchem Einfluss das laufende Jahr für seine Kunden steht. „So kann man etwa ganz klar sehen, ob eine Übersiedelung in den nächsten Monaten vielleicht auf Widerstände stoßen würde.“ Selimovs Know-how kommt an. Kürzlich hielt er einen Astro-Vortrag im nördlichen Waldviertel. An die 300 Menschen folgten den Ausführungen des stets im seriös wirkenden Anzug auftretenden Beraters. „Und das Erfreuliche war: Die sind alle bis zum Schluss sitzen geblieben“, so Selimov. Dass es nach Kriterien der westlichen Naturwissenschaften weder für die Wirksamkeit des Feng-Shui-gerechten Möbelrückens noch für den Wahrheitsgehalt von Horoskopen Belege gibt, störte die Zuhörer offenbar nicht.
Viele von Selimovs Zunftkollegen verzichten freilich auf das Berechnungsbrimborium und schreiten unvermittelt zur Tat. Bei Intensivworkshops in entlegenen Seminarhotels werden die Teilnehmer schon mal zu ungewöhnlichen Körpererfahrungen verdonnert. Zeugen berichten von einem Seminarleiter, der seine Kundschaft dazu brachte, sich auf den Rücken zu legen, die Beine zu spreizen, um dann zu versuchen, Luft durch den Anus einzusaugen. Nicht überliefert ist, ob die neue Körpersensation die Anwesenden tatsächlich zum versprochenen „inneren Wachstum“ verholfen hat.
Handauflegen. Wie weit die einst ausschließlich in Patschuli-geschwängerten Studentenbuden beheimatete Eso-Kultur schon in den Mainstream vorgedrungen ist, zeigt das Kursprogramm des Wiener WIFI. Immerhin mit einem öffentlichen Bildungsauftrag ausgestattet, bot das Institut bis vor Kurzem Kurse in Astrologie an. Erst als Astronomen der Kuffner Sternwarte heftig gegen die Pseudowissenschaft wetterten, verschwand der Kurs wieder aus dem Programm. Weiterhin im Angebot sind jedoch Lehrgänge im Handauflegen, Kursgebühr 305 Euro, Feng-Shui um 250 Euro, Aura Soma um 1390 Euro. Bei Letzterem sollen die Absolventen ihren nachmaligen Klienten mithilfe von bunten Fläschchen voller „Essenzen“ und nicht näher bezeichneten „Kristallenergien“ zur „tiefen Innenschau“ verhelfen.
Überraschungen erlebten auch Teilnehmer einer Selbsterfahrungsgruppe in Oberösterreich. Als sie den Seminarraum betraten, fanden sie die Tür des angrenzenden WCs ausgehängt und im Kühlschrank statt der erwarteten Wochenendvorräte nur gähnende Leere. Beides, so erfuhren die verdutzten Ego-Nauten, solle ihnen eingefahrene Gewohnheiten bewusst machen. Für Feng-Shui-Kenner ist die ausgehängte Klotür übrigens ein schlimmer Fauxpas: Nach dieser Lehre sollten Klodeckel und -türe stets gut verschlossen sein, andernfalls drohe ein unbeabsichtigter Energieabfluss durch die Kanalisation. Wer das besonders genau nimmt, hängt sich einen Spiegel an die Außentür, dieser wirft das lebenswichtige, aber flüchtige „Chi“ wieder zurück in den Wohnraum.
Wirrnisse wie diese wird ein motivierter Selbstverwandler noch in Kauf nehmen können. Richtig unangenehm kann der Psychotrip jedoch für Suchende werden, die in die Hände eines überehrgeizigen „Familienaufstellers“ geraten. Das Verfahren, vom mittlerweile 82-jährigen Bert Hellinger entwickelt, erfreut sich wachsender Beliebtheit. Dabei verschiebt der Klient Darsteller seiner Bezugspersonen im Raum, der Aufsteller kommentiert, fragt nach, verschiebt und liefert bald seinen Befund. Ein „wissendes Feld“ würde ihm dabei helfen, die tief liegenden Konflikte zu erkennen, meint Hellinger. Innerhalb kürzester Zeit will er vergessene Traumata aufdecken, verdrängte Trauer ausleben lassen und schwere Familienkonflikte aussöhnen können.
Abhängigkeiten. Viele Teilnehmer erleben die Aufstellung als extrem aufwühlend. Manche sind begeistert und lassen sich umgehend selbst zum Aufsteller ausbilden. Andere bleiben verstört zurück. Eine junge Ärztin, die von Hellinger 1997 in Leipzig als „das kalte Herz“ der Familie bezeichnet worden war, nahm sich tags darauf das Leben. Und 2004 erwürgte ein Rathausmitarbeiter aus Wien seine Freundin, wenige Tage nachdem er an einer Aufstellung teilgenommen hatte – ein kausaler Zusammenhang der beiden Ereignisse ist allerdings nicht erwiesen. Gefahren ganz anderer Art drohen Menschen, die sich für die Kommunikations- und Managementtechnik der Neurolinguistischen Programmierung (NLP) interessieren. „Diese Technik hat viel mit Trance zu tun“, sagt Peter Schütz, der selbst seit 25 Jahren NLP-Trainer ausbildet. „Wenn sich da ein Trainer als Guru inszeniert, ist die Gefahr groß, dass Abhängigkeiten entstehen.“ German Müller von der Bundesstelle für Sektenfragen sieht noch eine weitere Gefahr auf dem grauen Psychomarkt. „Consulter, die vorgeblich Verkaufs- und Managementkonzepte unterrichten, verbreiten in Wahrheit die Lehre des Scientology-Gründers Ron Hubbard. Arglose Kursteilnehmer sollten die Augen offen halten, ob nicht irgendwo auf den Unterrichtsunterlagen die Initialen des Scientology-Gründers (LRH) prangen.“
Und selbst die dümmlichen „Positiv denken“-Fibeln können laut Expertenmeinung Schaden anrichten. Etwa das Gute-Nacht-Lesebuch „Sorge dich nicht – lebe!“ des Genre-Begründers Dale Carnegie aus dem Jahr 1948. Er wisse „mit unumstößlicher Gewissheit, dass das größte Problem – eigentlich beinahe sogar das einzige –, mit dem Sie und ich mich herumschlagen müssen, die Wahl der richtigen Gedanken ist“, schrieb Carnegie. Psychotherapeut Günter Scheich hält das für gefährlich. „Wer ständig eine Diskrepanz zwischen seinen Gefühlen und seinen Gedanken hat, kann davon krank werden.“ Die überspannten Erfolgserwartungen münden zuverlässig in umso herbere Enttäuschungen. Abgesehen von diesen Nebenwirkungen sei die Gedankendressur jedoch wirkungslos, meint Scheich. „Ein dummes Gehirn wird durch positives Denken auch nicht klüger.“
Keine Beschwerden. Diese Erfahrung musste auch Jürgen Höller machen. Jahrelang war er als Motivationstrainer durch Sporthallen getingelt, peitschte sich und sein Publikum mit wildem „Tschaka!“-Kampfgebrüll auf, um so „Energieschübe“ auszulösen. 2001 versuchte er, mit dem Geld enthusiasmierter Anleger einen weltweiten Fortbildungskonzern zu gründen. Doch das Geld war bald weg, Höller meldete Konkurs an und musste später wegen Untreue, Meineids und vorsätzlichen Bankrotts ins Gefängnis. Mittlerweile arbeitet er an einem Comeback.
Erstaunlich dabei ist, dass es kaum Menschen gibt, die sich nach der vorhersehbaren Bauchlandung über Motivationstrainer, Coaches oder Energethiker beschweren. „Die Leute schämen sich, weil sie auf einen Unsinn hereingefallen sind“, glaubt Petra Lehner, Ernährungsexpertin der Arbeiterkammer. So habe sich Anfang September ein Opfer bei ihr gemeldet, das von einer Energethikerin statt um überzählige Kilos um viel Geld erleichtert worden war. „Doch vor Gericht wollte die Dame dann doch nicht gehen.“ Bleibt also gar keine Hoffnung auf Besserung beim Menschen? Kleine Veränderungen, die zu einem besseren Auftreten oder vielleicht – mit viel Mühe – zu einer glücklicheren Beziehung verhelfen, halten die Experten für möglich. Auch der ehemalige „Superman“ aus der Ordination von Günter Scheich musste sich nach seiner Bruchlandung durch die Mühen der Ebene quälen. Scheich: „Er hat begonnen, sich weiterzuqualifizieren. Denn letztlich waren es ja nicht die falschen Gedanken, die ihm und seinen Firmen geschadet haben, sondern das mangelnde Fachwissen.“
Sonntag, 14. September 2008
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